Aufzucht und Auswilderung eines Waldkauzes

Im April 2021 gelangte ein junger Waldkauz (Strix Aluco) in die Obhut der FOGE. Er konnte erfolgreich großgezogen und ausgewildert werden. Da junge Waldkäuze regelmäßig bei Vogelauffangstationen und anderen qualifizierten Vogelschützern abgegeben werden, möchten wir diesen Fall exemplarisch näher erläutern: Am 2. April wurde bei uns ein Waldkauz-Nestling abgegeben, nachdem er zuvor mit zwei bereits verhungerten Geschwistern in einem Wald geborgen worden war. Er war knapp zwei Wochen alt und befand sich in einem schlechten Ernährungszustand. Da er nicht um Futter bettelte, musste er gestopft werden. Sein Zustand verbesserte sich fortwährend. Es dauerte nicht lange, bis er anfing, aktiv um Futter zu betteln.

Waldkauz Nestling
Unser Jungvogel - knapp zwei Wochen alt

Handaufzucht oder Ammenaufzucht?

Obwohl die Handaufzucht von Waldkäuzen in der Regel unkompliziert ist, suchten wir nach Möglichkeiten, ihn einer Waldkauzbrut in der freien Natur unterzuschieben („Ammenaufzucht“). Das hat mehrere Vorteile: Erstens der praktische Grund, dass man sich die zeitaufwendige Handaufzucht spart. Zweitens, dass man eine Fehlprägung oder zu starke Gewöhnung an den Menschen vermeidet. Und drittens, dass der Jungkauz bessere Überlebenschancen hat, wenn ihm der Beutefang von echten Waldkauzeltern beigebracht wird.

Waldkauz Aufzucht
Rund drei Wochen später war der Kauz kaum wiederzuerkennen

Voraussetzungen für die Rückführung in die Natur

Da Eulen, wie die meisten Vögel, nicht zählen können, werden „untergeschobene“ Jungvögel in den meisten Fällen angenommen und genauso versorgt wie der eigene Nachwuchs. Voraussetzung dabei ist, dass sich die eigenen Jungvögel und der Neuzugang etwa im gleichen Alter befinden. Außerdem muss eine ausreichende Nahrungsverfügbarkeit gewährleistet sein. Leider war uns in der Umgebung keine Waldkauzbrut mit gleichaltrigen Jungvögeln bekannt, bei welcher die Bruthöhle per Leiter zu erreichen wäre. Am 25. April sahen wir unsere Chance: Am Vortag hatten zwei Jungvögel ihre Naturhöhle in einer Pappel in ca. 15 Meter Höhe verlassen. Sie befanden sich im fortgeschrittenen Ästlings-Stadium und konnten bereits sicher klettern und kurze Strecken fliegend zurücklegen. Unser Kauz befand sich in einem ähnlichen Entwicklungsstadium. Wir nutzten also die Gelegenheit zur Auswilderung. Zunächst beringten wir unseren Kauz, um ihn später von den anderen Jungvögel unterscheiden und ihn im schlimmsten Fall bei einem späteren Totfund identifizieren zu können, packten ihn die Transportbox und fuhren in das zur Auswilderung vorgesehene Revier.

Waldkauz Altvogel
Die angehende Ammenmutter hat ihr Brutrevier ständig im Blick

Ablauf der Auswilderung

Vor Ort angekommen setzten wir den Kauz auf einen ausreichend hohen Ast, von dem er die Möglichkeit hatte, weiter in die Höhe zu klettern.Die Auswilderung geschah unter den wachsamen Augen mindestens eines Altvogels in einem der Nachbarbäume. Da Waldkäuze ihren Nachwuchs in der Regel erst bei Dunkelheit füttern, konnten wir nicht beobachten, ob die Fütterung bereits in der ersten Nacht klappte. In den Folgetagen behielten wir den Jungvogel per Fernglas regelmäßig unter Beobachtung. Wir konnten feststellen, dass er sich im Astwerk immer weiter nach oben arbeitete und fast jeden Tag in einem anderen Baum saß. Sein Komfortverhalten (Gefiederpflege, Strecken der Flügel) sprach für Wohlbefinden, bzw. einen weiterhin guten Gesundheits- und Ernährungszustand. Zudem konnten wir in der Dämmerung seine Bettelrufe hören, auf die jeder Altvogel instinktiv reagiert. Wir können uns daher sicher sein, dass die Eingliederung des Kauzes in seine neue „Familie“ geklappt hat und die Auswilderung daher erfolgreich war. Von einer Zufütterung mit Mäusen oder Eintagsküken sahen wir aufgrund des momentan reichlichen Mäusevorkommens ab.

Waldkauz Auswilderung
Unser Jungvogel wenige Tage nach der Auswilderung

Nestling oder Ästling?

Diese Geschichte ist nur ein Beispiel für eine erfolgreiche Aufzucht und Auswilderung – und zwar in einem Fall, in dem es notwendig war, den Jungvogel in menschliche Obhut zu nehmen. Immer wieder werden junge Waldkäuze im so genannten Ästlingsstadium von Spaziergängern gefunden und bei Experten zur weiteren Aufzucht abgegeben – in der falschen Annahme, dass es sich um verlassene Jungvögel handelt, die ohne menschliche Hilfe keine Überlebenschance mehr hätten. Ab einem Alter von rund 30 Tagen können Waldkäuze bereits den Brutplatz verlassen. Zu diesem Zeitpunkt sind sie noch nicht flugfähig, können aber gut laufen und klettern. Wenn sie bei ersten Flugversuchen auf den Boden stürzen, suchen sie instinktiv die Möglichkeiten, nach oben zu klettern. Oft wirken Ästlinge apathisch – auch das täuscht. Ihre Regungslosigkeit am Tag soll davor schützen, von Fressfeinden entdeckt zu werden. Sollte man solch eine Jungeule in einem Gebüsch sitzen sieht, besteht in der Regel KEIN Handlungsbedarf. Er wird von den Altvögeln weiter gefüttert. Eine Handaufzucht wäre vollkommen unnötig. Sollte der Ästling direkt am Boden oder an einer aus anderen Gründen ungünstigen Position sitzen, ist es allerdings sinnvoll, ihn in einen nahegelegenen Baum zu setzen, damit er sicher vor Füchsen, Katzen oder Hunden ist. Die Sorge, die Eltern könnten ihn wegen des menschlichen Geruchs nicht mehr annehmen, ist bei Vögeln unbegründet. Sollte ein Ästling direkt an einer viel befahrenen Straße gefunden werden, sollte dennoch ein Experte zu Rate gezogen werden. Achtung: Waldkäuze verteidigen ihre Jungvögel und können im lautlosen Flug mit spitzen Krallen von hinten angreifen, wenn man ihrem Nachwuchs zu nahe kommt.

In unserem Fall handelte es sich um keinen „Ästling“, sondern um einen „Nestling“: Einen Nestling erkennt man abgesehen von der geringen Größe u.a. dadurch, dass er noch nicht aufrecht stehen oder gehen kann. Er hätte keine Möglichkeiten, nach oben zu klettern und wäre leichte Beute für jeden Beutegreifer. Wenn ein Nestling am Waldboden aufgefunden wird, muss zuvor eine „Katastrophe“ passiert sein. In diesem Falle ist es notwendig, einen Experten zu Rate zu ziehen, damit der Nestling professionelle Hilfe bekommt.

Kontaktmöglichkeiten

Sollten Sie im Kreis Ludwigsburg oder Umgebung eine hilfsbedürftige Jungeule oder einen verletzten Altvogel finden, kontaktieren Sie uns bitte. Wir weisen darauf hin, dass wir nur über sehr begrenzte Kapazitäten verfügen. Sollten wir keinen Platz haben, den Vogel aufzunehmen, vermitteln wir aber gerne den Kontakt zu anderen Experten und Pflegestationen.